Erneut ein Seenotfall

Aus dem Logbuch:

Wind 4-5 Bouefort

Wassertemperatur ca.18 ° C

Etmal 11,5 km

 

Wetter: eigentlich genial zum Katamaransegeln. Schäfchenwolken sind am Himmel und es herrscht guter Wind.

 

Unser Strand, von dem aus wir unsere Segeltouren starten, liegt bei SW Wind geschützt hinter einer Insel. Dies ist der Grund, warum wir nicht mitbekommen haben was uns draußen auf dem See erwartet.

Heute starten wir mit zwei Grabner Happy Cat Vision von unserer Basis. Gabi und ich zusammen auf unserem Kat und Curt alleine auf seinem Katamaran.

Obligat ist es für uns, dass wir unsere Trockenanzüge anziehen. Danach wird der  Katamaran in das Wasser geschoben. Ich halte den Kat im Wasser stehend gegen den Wind während Gabi alle Leinen klariert und das Großsegel einschäkelt. Wir besitzen am Ende unseres Großsegels eine Metallplatte mit drei Löchern. Je nach Wind und Gewicht der Besatzung wird die Großschot  in eins dieser Löcher eingeschäkelt. Bei viel Wind nimmt man das Loch ganz vorne zum Mast hin. Hat man dagegen wenig Wind wird die Großschot am besten ganz in das hintere Loch eingeschäkelt. Dadurch bekommt das Segel einen richtigen Bauch und kann den wenigen Wind optimal nutzen.

Heute entscheiden wir ( meistens entscheide ich zur Zeit) uns auf Grund der gefühlten Windverhältnisse für das mittlere Loch in der oben erwähnten Lochplatte.

Hier die beschriebene Lochplatte des Großsegels
Hier die beschriebene Lochplatte des Großsegels

Erst wenn Gabi alles klar an Deck hat drehe ich den Katamaran in den Wind und klettere an Bord.

Ab jetzt hat man wenig Zeit Versäumtes nachzuholen, denn sofort nimmt der Kat Fahrt auf. Sollte man doch etwas vergessen haben, was uns  regelmäßig passiert, bleibt nur ein Aufschießer um das Versäumte nachzuholen. Einen Beiliger können wir in der Regel so dicht am Ufer nicht fahren, da wir sofort an Land getrieben würden.

Wir sind heute zuerst auf dem Wasser. Curt benötigt noch etwas Zeit um seinen Kat startklar zu bekommen.

Wir haben jetzt schon gut Fahrt drauf, dabei befinden wir uns noch im Schutz der Insel. Als wir die Insel passiert haben erfasst uns der SW mit voller Wucht. Der Wind kann an dieser Stelle 15km Anlauf über den See nehmen. Entsprechend haben wir in diesem Gebiet auch reichlich Welle. Zur Zeit steht hier eine Welle von gut 1 Meter Höhe. Wir müssen uns voll konzentrieren, unser Kat zischt und springt über die Wellen das es nur so schäumt.

"Wir müssen rüber zur Prinzeninsel und dort in die Bucht den Großschotschäkel auf das vordere Loch setzen": sage ich zu Gabi.

Gabi stimmt mir zu und meint:" das könnte für Curt zuviel Wind sein!"

"Ja, aber wir können ihn jetzt nicht warnen. Hoffen wir dass er durchkommt. Wir müssen erst zur Prinzeninsel rüber."

ist mein Kommentar.

 

So segeln wir mit gut 20 km/ h auf die Bucht zu, wo wir uns etwas Windabdeckung erhoffen.

Einen so genannten Beiliger können wir noch nicht und so muss das Umschäkeln  zügig von statten gehen. Gabi übernimmt die Pinne und fährt uns in die Bucht. In der Bucht angekommen fährt Gabi einen Aufschießer, heißt sie legt den Katamaran gegen den Wind. Diese Position kann nicht lange gehalten werden, da wir auf Grund unserer Rumpfform doch gut treiben und dann das Segel von irgendeiner Seite doch wieder Wind fängt. Somit muss ich mich sputen. Ich muss wirklich erst einen Schäkel öffnen, umstecken und den Schäkel wieder verschließen. Das ist nicht glücklich gelöst. Die großen Katamrane haben an dieser Stelle einen Haken. Mittlerweile hat die Firma Grabner das Problem erkannt und setzt bei Ihren neuen Modellen auch diesen Großschothaken ein.

Mittlerweile ist Curt auch draußen und hat gerade die Abdeckung der Insel verlassen. Nun beginnt auch für ihn der wilde Ritt.

Ich setze den Schäkel schnell in das vordere Loch der Lochplatte und schon geht es weiter. Jetzt steht das Segel recht flach und der überschüssige Wind kann oben aus dem Segel entweichen. Ein Reff wie bei einem normalen Segelboot können wir nicht in unser Segel einbinden.

 

Nach dieser Aktion können wir uns nach Curt umsehen. Zuerst können wir ihn gar nicht entdecken. Doch dann sehen wir seine roten Rümpfe und es sieht aus als wäre er gekentert. So machen wir uns auf den Weg Curt zu helfen. Eine Bemerkung am Rande, von dieser Rettungsaktion gibt es keine Bilder. Man hat in solchen Situationen keine Zeit auch noch Fotos zu schießen. Daher lasst die Bilder vor Eurem geistigen Auge entstehen.

Wie wir helfen können ist uns in diesem Moment  noch nicht ganz klar aber schon das Gefühl, dass man nicht ganz alleine auf dem See treibt kann schon hilfreich sein.

Klar hat es Curt dort umgehauen wo am meisten Wind und Welle herrscht. Wir haben das Problem, dass wir mit viel Geschwindigkeit  angerauscht kommen, selbst das Öffnen des Großsegels vermindert nicht wirklich unsere Geschwindigkeit. Ich muss unseren Katamaran rechtzeitig bei Curt zum Stehen bekommen.

Gabi ist an der Vorschot und bedient die Fock, ich habe die Großschot in der Hand und in der anderen Hand die Pinne. Als wir näher kommen können wir erkennen, dass der Kat von Curt durchgekentert ist. Eigentlich ist dies nicht schlimm, da der Kat so in dieser Lage für den Segler eine sichere Plattform bietet.

Allerdings erleichtert diese Position nicht gerade das Aufrichten des Katamarans.

"Gabi Achtung"! "Ich gehe rechts an Curt vorbei, so dass wir mit dem Backbordschwimmer bei Curt anlegen können"."Auf mein Kommando nimmst du die Fock weg"!

" Okay, geht klar"; kommt es von meiner Crew.

Wir bewegen uns auf vier Quadratmetern, dass hat den Vorteil dass man sich nicht anschreien muss. d

Das mag ich überhaupt nicht.

"Fock weg" und schon schieße ich neben Curt in den Wind.

Wir haben an unseren Rümpfen sogenannte Sorgeleinen angebracht. Das sind dickere Leinen die seitlich locker am Rumpf hängen damit man das Boot zu fassen bekommt falls einer von Uns ins Wasser fällt. Mann will es gar nicht glauben, aber wenn man im Wasser schwimmt ist selbst ein Schlauchbootrumpf ein fast unüberwindbares Hindernis.

Jetzt kann Curt sich die Leine greifen und uns so zusammen halten.

Hier kann man gut die Sorgeleine erkennen, Perspektive eines Schwimmers
Hier kann man gut die Sorgeleine erkennen, Perspektive eines Schwimmers

Der Wind pfeift uns mit gut sechs Windstärken um die Ohren und unsere Boote werden durch die Wellen hin und her geworfen.

Curt erzählt uns dass der erste Aufrichtversuch sogar geklappt hat aber der Katamaran gleich zur anderen Seite wieder umgeschlagen ist. Weiterhin hat er festgestellt das seine Aufrichtleine zu dünn ist. Sie hat ihm schon ordentlich in die Finger geschnitten. In Absprache mit Curt bringen wir unsere Schleppleine bei Ihm an, um den Kat in etwas seichteres Wasser zu schleppen. Als Schlepper taugt unser Vision nicht besonders, zumal bei diesem Wellengang.  Erschwerend kam hinzu, dass das Großsegel von Curt wie ein Treibanker unter seinem Boot hing. Insofern hatte unser >Kat schon alles gegeben. Nach einiger Zeit haben wir Curt und seinen Kat doch etwas dichter an das Ufer bekommen. 

Curt wollte noch einen Aufrichtversuch starten. So lies er unsere Sorgeleine los und wir nahmen sofort wieder Fahrt auf. Auf dem Wasser und gerade bei Wind und Welle ist alles immer dynamisch. Es herrscht nie Stillstand. Leider war auch dieser Aufrichtversuch vergeblich. Wer einmal einen Katamaran bei ordentlich Wellengang aufgerichtet hat weiß wieviel Kraft man dabei benötigt. Der Körper ist hinterher wie ausgelaugt.

"Gabi die Fock raus, ich benötige sie als Steuerhilfe".

Gabi zieht an der Fockschot und schon nimmt unser Kat ordentlich Fahrt auf. Aufgrund der hohen und steilen Wellen gelingt es mir nicht eine Wende zu fahren. So entscheide ich mich zu halsen, um zu Curt zurück zu gelangen. bei diesen Bedingungen ein gewagtes Manöver. Die Halse gelingt gut; unser Kat liegt stabil.

Wieder zurück an Curt vorbei, erneut halsen und dann bei Curt wieder mit dem Backbordschwimmer aufstoppen. Mittlerweile ist die Feuerwehr Plön mit einem Boot vor Ort und bietet die Abbergung von Curt an. Aber das können wir auch. Wir wollen ja den Kat retten. Am Ufer steht mittlerweile ein Streifenwagen und beobachtet das Geschehen. Vermutlich hat das Fahrgastschiff, welches auf dem See verkehrt, die Rettung informiert. Machen konnten die beiden Polizisten an Land aber auch nichts. Sie hatten kein Schwimmzeug dabei.

Nachdem wir ein zweites Mal bei Curt anlegten hieß es einen Schlachtplan entwickeln. Die einfachste Option wäre es Gabi zu übergeben, denn zu zweit lässt sich der Katamaran sehr leicht aufrichten. Allerdings wäre die Wahrscheinlichkeit groß das mich das gleiche Schicksal ereilt wie Curt. Nämlich eine saubere Kenterung. Während wir drei das Für und Wider abwägen kommt plötzlich vom Ufer ein

Helfer in einem Neoprenanzug auf uns zu. Wir halten ihn erst für einen Polizisten da der Helfer aus der gleichen Richtung kam wo der Streifenwagen stand. Der uns unbekannte Helfer kletterte bei Curt an Bord und gab uns zu verstehen, dass er mit Curt den Katamaran aufrichten will. Somit konnte ich meine

geliebte Vorschoterin bei mir an Bord behalten. Wir lösten uns von Curts Katamaran und drehten in bewährter Manier in der Nähe der "Unfallstelle" unsere Runden. In der Seefahrtsprache heißt das man liegt "standby" . Als wir sahen dass es den beiden nicht gelang den Katamaran aufzurichten gingen wir ein drittes Mal längsseits. Der Wind war immer noch bei sechs und die Wellen immer noch gut einen Meter hoch. Die beiden teilten uns mit dass die Aufrichtleine von Curt zu dünn sei und ob wir eine Dickere hätten.

"Ja, haben wir", unsere Aufrichtleine ist ungefähr doppelt so dick wie die zur Zeit von Curt benutzte. Gabi löste unsere Aufrichtleine vom Mastfuß und übergab sie an die beiden.

Unser Polizeitaucher meinte, das müsste jetzt funktionieren.

Wieder lösten wir uns von Curt und beobachteten den Aufrichtversuch. Jetzt mit der dickeren Leine gelang das Aufrichten mühelos.

Nach dieser Aktion nahmen wir Kurs auf unseren Platz. Allerdings wunderten wir uns, dass Curt noch zwei Runden mit dem Polizisten drehte. Na vielleicht wollte er noch ein wenig segeln, wenn er schon ins Wasser springt.

Erst bei uns auf dem Platz erfuhren wir, dass Curts Begleiter kein Polizist war, wie wir erst vermuteten, sondern ein Cat-Segler von unserem Platz. Er hatte Curts Missgeschick von unserem Strand aus mit dem Fernglas beobachtet. Kurz entschlossen hat er sich  seinen Neoprenanzug angezogen und sich anschließend von seiner Frau zu dem Streifenwagen fahren lassen.

Das war wirklich klasse.

Curt war richtig erschöpft und durchgefroren(trotz Neoprenanzug). Diese ganze Aktion hat enorm viel Kraft gekostet. Durch die zu dünne Aufrichtleine haben seine Hände wirklich gelitten. Vor Ort im Wasser hatte er so viel Adrenalin im Blut, dass er die Verletzungen nicht so recht wahrgenommen hatte.

Sein Körper braucht ein paar Tage, um sich von diesen Kraftakt zu erholen.

Dieses Erlebnis zeigte uns beiden allerdings auch, dass wir mit unserer Ausrüstung richtig lagen. Die Sorgeleinen haben sich bewährt. Wir hätten die Boote sonst in dieser Situation niemals zusammenhalten können. Auch unsere Wahl der Aufrichtleine ist richtig gewesen. Unsere Trockenanzüge sind in so einer Situation Gold wert, selbst wenn viele dies als übertrieben ansehen.

Mittlerweile besitzt der Katamaran von Curt die gleichen Sicherheitsausrüstung wie unser Katamaran.

Curt und ich haben im Grunde das gleiche Problem. Wir sind zu leicht! Bei viel Wind kann uns eine Bö zum Kentern bringen. Wenn wir dann im Bach liegen sind wir wieder zu leicht um das Boot schnell wieder aufzurichten.

Daher achte ich penibel darauf, dass alles stimmt wenn wir uns auf das Wasser begeben. Besonders, wenn ich alleine segel.

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Kommentare: 4
  • #1

    Guido Twelker (Donnerstag, 15 Dezember 2016)

    Hallo ihr beiden wisst ihr das der EVO wieder geändert wird zu sehen auf you Tube ein neun Minuten Video soll sich Hurrikan nennen. Beste Verbesserung ist eine Verstrebung Li u.Re vom Bugspriet.Soll ein Einknicken des Leeschwimmers bei schneller Fährt Verhindern. Frohe Weihnachten

  • #2

    Carsten (Sonntag, 18 Dezember 2016 15:30)

    Hallo Guido,
    Erst einmal willkommen auf unserem Blog. Das hört sich ja super an. Werde im Januar mich bei Grabner auf dem Messestand einfinden. Mal sehen ob sie dort schon das neue Modell ausstellen. Das mit dem
    Einknicken des Leeschwimmers kann ich bestätigen zumindest so wie wir unseren Kat strapazieren.
    Die Evo Geschichten kommen noch, der Blog wächst langsam aber stätig.

    Schöne Festtage wünschen wir Euch, ich muss zum Teil arbeiten.

    Grüße auch von Gabi

  • #3

    Waldi (Dienstag, 08 Januar 2019 00:02)

    Eine höchst spannende Geschichte lese ich da, und fühle mich total in die dort herrschenden Verhältnisse ein. Aber eins ist mir als Süsswasserpirat völlig klar. Ich hätte nicht wie Curt so verbissen gekämpft, sondern hätte schlotternd auf den umgekippten 4 m2 kauernd auf Rettung gewartet. Aber dank dieses Berichte ist mir nun klar geworden, was ich unbedingt vorzukehren habe für die kommende Saison.
    Allerdings habe ich bei 5 Beaufort mit dem eingrabenden Lee Schwimmer des Vision so einen Frust, dass ich eh dann das sichere Ufer unseres kleinen Sees ansteuere.

  • #4

    Carsten sagt (Dienstag, 08 Januar 2019 12:55)

    Hi Waldi,
    ja das mit dem Eingraben des Leeschwimmers ist so eine Sache beim Vision. Das ist auch der Grund warum man nicht schneller als 25 km/h segeln kann. Alles was darüber geht setzt er in Schaum und Gischt um. Selbst heute noch sitze ich bei meinem Evo immer zu weit hinten. Warum , weil ich beim Vison das Gewicht nach hinten trimmen mußte, damit mir nicht der Schwimmer unterschneidet.
    Es freut mich, dass Dir dieser Bericht geholfen hat. Ich bin der Meinung und das ist auch das Anliegen von unserem kleinen Blog, dass wir voneinander lernen können.
    Ach so noch so am Rande eine Erfahrung. Selten handelt man wirklich rational bei einer Kenterung. Selbst bei mir können Abläufe noch optimaler werden. Im März geht es nochmals um eine Kenterung und auch dort habe ich nicht ganz optimal reagiert.
    Gruß Carsten

    Viel vergnügen beim weiteren lesen des Blogs